Die Moselbruecke in Schengen
 



Ja zum Bau der Brücke von Schengen


Die 1908 vom Unternehmen Paul Wurth erbaute Brücke war eine Besonderheit
Die ersten von Menschenhand errichteten Brücken waren aus Holz. Den Römern wurden die ersten Steinbrücken zugeschrieben, und aus England weiss man, daß bereits 1776 gußeiserne Brücken gebaut wurden. In Frankreich wurde die erste Eisenbrücke im Jahr 1852 errichtet (Pont d'Asnières sur la Seine). Im Jahr 1827 wurde auf der Strecke Luxemburg-Namur eine gußeiserne Brücke bei Martelange/Sûre von 12 Metern Länge vorgestellt. Die erste "große Stahlbrücke" in Luxemburg wurde im Jahr 1890 in Wormeldingen auf einer Gesamtlange von 110 Meter über die Mosel gebaut (350 Tonnen). Sie war von Paul Wurth in der "Hollericher Kesselfabrek" entworfen und konstruiert worden (Atelier Eugene Müller). Für damalige Verhältnisse ein "Meisterwerk".

Picture of Eugene MullerEugene Müller Picture of Paul WurthPaul Wurth


Bevor man auf den Gedanken kam, eine Brücke über die Mosel zu schlagen, wurden die Menschen mit ihrem Vieh und Material mittels "Fähren" über den Strom gesetzt. Der Fahrmann (oder auch Passeur" genannt) setzte nach dem Ruf "Holiwer" mit seiner Fähre oder "Pont" über.
Es gab auch schon sehr lange das sogenannte "Weistum", ein Dorf und Stadtrecht, das der Dorfgemeinschaft von Rechtskundigen auf Anfrage "gewiesen" wurde. Da- nach bestand auf Fähren das Asylrecht. So auch auf der Schengener Fähre. Wenn ein Verfolgter sich auf die Fähre flüchten konnte, so wollte es das Recht, durfte er dort während sechs Wochen und drei Tagen bleiben, ohne daß er festgenommen werden konnte. Gelang es ihm nach dieser Frist, auch nur drei Schritte an Land zu gehen, begann seine "Schonzeit" für weitere sechs Wochen. Wurde der Fährmann von einem "Verfolgten" um Hilfe gebeten,konnte er den "Gesetzlosen" übersetzen, erst nachdem dieser auf der anderen Seite in Sicherheit war,konnte der Fährmann zurück, um die "Verfolger" aufzunehmen. Gedacht war dieses Recht als Hilfe gegen willkürliche Gewaltherrschaft und vorschnelle Hinrichtungen. Man sollte annehmen, daß Brücken Länder verbinden, daß sie die Menschen "sich näherbringen",daß sie besonders in Grenzregionen auch Sprachschranken überwinden helfen und so zur Volkerverständigung beitragen. Eigentlich müsste gerade die "Schengener Brücke" im Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Luxemburg viel dazu beitragen wenn man auch noch das Saarland und Lothringen berücksichtigt, dann dürfte sie wohl eine der wichtigsten sein, die Luxemburg mit seinen Nachbarn verbindet. Seit 1893 wurde verhandelt .Bereits im Jahr 1893 liefen Verhandlungen zwischen dem Großherzoglich-Luxemburgischen Generaldirektor des Innern und dem Königlich-Preußischen Regierungspräsidenten "Hochwohlgeboren" aus Trier zwecks Errichtung einer Brücke über die Mosel bei Schengen und Perl (D). Zwecks Festlegung des Durchflußprofils eines ersten Entwurfs wurde die 9 km flußabwärts 1866 erbaute Brücke von Remich von der Königlichen Wasserbauinspektion Trier herangezogen. Zu Grunde gelegt wurde der bis dahin höchste bekannte Wasserstand (Hwmax) aus dem Jahre 1784 (der höchste Wasserstand des Jahrhunderts war 1844). Im ersten Entwurf wurde die Brückenunterkante gleich dem HWStand von 1784, der bei 146,594 lag, angegeben (Pegel Besch). Der Pegel von Besch lag 4 km unterhalb der Baustelle (Schengen) mit Nullpunkt 139,044 und ergab 1784 einen Wasserstand von +7,55, das der Höhe 146,594 entspricht. Das Gefälle zwischen Schengen und Besch aber ist mit 1,1 m anzunehmen, was wiederum 147,694 entspräche, fügt man noch 0,5 m für den sicheren Abfluß treibender Gegenstände hinzu, ergäbe sich somit eine Brückenunterkante von 148,194 (148,2).

Königlich-Preußische Einwände

Diese Einwände kamen am 9.Juni 1896 vom Königlich Preußischen Regierungspräsidenten. Es waren dies damals ganz normale Vorgänge, die natürlich mit ganz anderen Maßstäben zu bewerten und zu messen sind wie heute. Allein schon aus der Sicht des Vermessungswesens waren diese Arbeiten zeitlich sehr aufwendig. Ebenso verhielt es sich bei Uebermittlung der Ergebnisse von Besprechungen und Ueberlegungen. Fast alle aufgefundenen Dokumente und Kopien sind "handgeschrieben" in der alten deutschen Schrift. Etwa um die Jahrhundertwende nahm das Projekt konkretere Formen an. Beide Seiten hatten sich auf die "Anlage einer Brücke mit eisernem Oberbau über die Mosel bei Schengen" geeinigt. Eine Stahlkonstruktion war wenige Jahre zuvor (1878) in Grevenmacher abgelehnt worden. In einem ersten Kostenvoranschlag (20.1.1896) hieß es:
"Auf Grund der beigefügten Pläne und Profilen soll die Ueberbrückung vermittels ,fünf' Oeffnungen von einer Gesamtlänge von 180 m zwischen den Landpfeilern stattfinden. Die lichte Breite erhalt 6,60 m, wovon 5,0 m für die Fahrbahn und 0,8 m für jedes Trottoir. Globalpreis = 235 000 Franken."
Daß gerade Grenzbrücken ganz' besonderen Ansprüchen und Vorschriften unterliegen, ist eine bekannte Tatsache, die leider auch ihre Schattenseiten hat. Das sollte auch bei der "Schengener" nicht anders sein.
Am 9. Juni 1896 sagt der Königlich Preußische Regierungspräsident Von Heppe in einem Schreiben an den Generaldirektor des Innern in Luxemburg, Herrn Kirpach:" Im Interesse der Landesverteidigung ist die Brücke (Schengen) im 1. und 2. Landpfeiler vom rechten Ufer aus gerechnet mit Minenanlagen zu versehen (das erklärt auch weshalb die rechte Seitenöffnung [Perl] und der Mittelbogen bei der Sprengung einstürzten, während die linke Seitenöffnung weitgehend unbeschädigt blieb) und ferner entsprechend den Anlagen an der Brücke von ,Grevenmacher' zwischen dem 2. und 3. Landpfeiler quer über die Brücke ein Gittertor anzubringen, sowie auf dem rechten Ufer ein ,Warthaus' zuerbauen, von welchem aus die Bestreichung der Brücke und des linken Ufers möglich ist . . ." Weiter heißt es: "ln Betreff der Einzelheiten der militarischen Anlagen wird es nicht zu umgehen sein, daß sich die Bauleitung mit der 7. Festungsinspektion zu Coeln, welche entsprechende Anweisung erhalten hat, unmittelbar ins Benehmen setzt."

Strategische Forderungen


Es mutet in unserer Zeit merkwürdig an, wenn der Historiker (Aus Grenzvermessung Deutschland-Luxemburg 1984, Heinz Weber) feststellt, daß es für dieses Vorgehen sogar eine "Rechtsgrundlage" gab. Beim Bau der Moselbrücke "Grevenmacher-Wellen" durch die Stadt Grevenmacher hatte die Konigliche Regierung in Trier in der Depesche vom 2. Januar 1880 der luxemburgischen Regierung mitgeteilt, daß sie aus Artikel 27 des Grenzvertrages vom 26.Juni 1816 auch strategische Forderungen herleitet.Für den Fall der Mobilmachung oder des Kriegszustandes in dem anstoßenden deutschen Gebiet wird sich das Recht jederzeitiger militärischer Besetzung und eventueller Sprengung oder Zerstörung der Brücke ohne andere Entschädigung vorbehalten als die die für Kriegsschäden nach den Gesetzen des deutschen Reiches gewährt wird.
Bemerkenswert ist ein Schreiben von Paul Wurth an den Generaldirektor des Innern, Herrn Kirpach, vom 14. Januar 1905. Hierin heißt es unter anderem: ". . . Ich bemerke, dass.. das Projekt, welches ich bereits vor mehreren Jahren ausgearbeitet habe, nicht nur vom Gemeinderat Remerschen, zuerst am 8.12.1894, dann am 20.1.1896 einstimmig genehmigt worden war, sondern ... schließlich auch die Zustimmung der deutschen Behörden ... erhalten hatte." Abschließend bemerkte Paul Wurth, und das ist in unserer heutigen Zeit erwähnenswert, ". . . daß sämtliche Materialien zu meinem Projekt aus dem Lande bezogen werden, und bitte Sie, die inländische Industrie bei der Vergabe vor der ausländischen berücksichtigen zu wollen".

Billiger aIs geplant


Nach langem Hin und Her wurde der Entwurf Paul Wurth schließlich zurückbehalten. Der Gesamtpreis war veranschlagt mit 350 000 Franken. Davon entfielen auf Schengen 4/7 Remerschen 2/7 und Wintringen 1/7. Die Gemeinde mußte 170 000 Franken leihen, und die Regierung steuerte ein Subsid von 125 000 Franken bei Die Schlußrechnung der Firma Paul Wurth vom 30. Juni 1908 belief sich auf 341032 F. Die von Paul Wurth entworfene und in der "Hollericher Kesselfabrek" hergestellte Brücke hatte eine Gesamtlänge von 150 m (im Gegensatz zum ersten Entwurf mit 180m). Die beiden Seitenbrücken waren je 40 m lang, und das Mittelteil mit dem 14 m hohen Bogen hatte eine Länge von 70 m. Es ist heute sehr schwer nachzuvollziehen, wie eine solche Brücke, mit einem Gesamtgewicht von 430 t, in einem kleinen Werk wie der damaligen "Kesselfabrek" entstanden ist.

Bureau d'etudes = M.Ernsdorf, M.P.Schmit,M.Beissel,Dr.P.Zender,M.Alex Welter, +unbekannt


M.Ernsdorf, M.P.Schmit,M.Beissel,Dr.P.Zender,M.Alex Welter, +unbekannt

Umweg über Thionville

Seit 1896 war die Kesselfabrik an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Um nach Schengen resp. nach Perl (Deutschland) zu gelangen, musste der Umweg über das damals deutsche Diedenhofen (Thionville) moselabwärts (rechtsseitig) erfolgen . Moselabwärts bestand schon seit vielen Jahren die Eisenbahn von Metz bis Trier .Auch das Luxemburger Eisenbahnnetz unterstand der Kaiserlichen Generaldirektion der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen in Straßburg.Aus diesem Transportgrund wurde die "Schengener Brücke" von der Perler Seite her montiert was auch eindeutig aus der Beschreibung des Montagegerüstes hervorgeht. Es ist allerdings nicht auszuschließen, daß auch Teile (z. B. Nieten und anderes Montagezubehör) mit Pferdefuhrwerken von Luxemburg nach Schengen transportiert wurden, ältere Paul Wurth-Leute erzählten jedenfalls von Transporten an die Mosel mittels Pferdefuhrwerken. Ob es aber nach Schengen war, ist nicht eindeutig geklärt.

Eine Besonderheit


Die Schengener Brücke mit ihrem hohen Mittelbogen stellte eine Besonderheit dar. Bereits die Vorbereitung und Einrichtung der Baustelle mußte sorgfältig überlegt sein, denn der Brückenbau in der damaligen Zeit war ein "Zusammenbau vor Ort", d. h., alle Knotenpunkte wurden an Ort und Stelle "genietet', was Kenntnis und Geschicklichkeit erforderte. Die "Nieten" wurden ebenfalls in der "Hollericher Kesselfabrek" hergestellt und an die Baustelle geliefert.Vorerst musste ein "Montierungsgerüst" berechnet und montiert werden. Es bestand aus einer Rüstung fur die "Mittelöffnung" (70m) und Rüstungen für die beiden seitlichen Oeffnungen (je 40 m). Das Untergerüst der Mittelöffnung reichte bis zur Fahrbahn und trug 7m über dem Belag die Laufbahn eines Montagekranes. Das Obergerüst ruhte auf der Unterrüstung und paßte sich in seinem oberen Teil dem Linienzug des Bogenuntergurtes an. Da der Bogen zuerst montiert wurde, mußte die Seitenöffnung auf der Perler Seite (D), von wo die Materialzufuhr erfolgte, schon bei Beginn der Montierung "eingerüstet" werden, Die Parallelträgerbrücke auf der Schengener Seite wurde zuletzt montiert. Daher konnte das Material der Oberrüstung für die Mittelöffnung zum Einrüsten dieser Brücke verwendet werden. In der Mitte der "Stromöffnung" wurde eine 9 m breite Oeffnung für die Schiffahrt freigehalten, die mit roten Flaggen bzw. Laternen bezeichnet war.

Montagegerüst, war Kunstwerk


Picture Pont de Schengen Für die Belastungsberechnung wurden Dimensionen und Gewichte der größten einzubauenden Konstruktionsteile in Betracht gezogen: Hauptträger der Mittelöffnung: 35 t Schwerstes Querstück 10 m: 4,5 t Quertäger 6 m: 1,03 t,Zugband: 0,2 t/m. Der Montierungskran hatte zwei Katzen für je 3 t Nutzlast, deren Gewicht mit je 0,5 t zu Buche schlug. Das Eigengewicht des Krans betrug 6,8 t (Radstand 4,0 m). Der maximale Raddruck aus Nutzlast und Krangewicht betrug 4,6 t. Auf dem Gerüst wurde ein Feldbahngleis verlegt, worauf ein Transportwagen, dessen Gewicht inklusive Nutzlast 3,2 t betrug, die Einzelteile auf der Baustelle beförderte. Das Montagegerüst war, so abwegig es auch erscheinen mag, das eigentliche Kunstwerk. Bei der Montage der Stahlkonstruktion war nur "ein" besonders ungünstiger Belastungsfall genauestens zu behandeln, und zwar wenn der Fachwerkbogen je zur Hälfte aufgelegt, jedoch am Scheitel noch nicht verbunden war.Um das zu bewerkstelligen, mussten die beiden Fachwerkhälften, welche über den einzelnen Jochstempeln unterkeilt auf dem Gerüst ruhten, um den Zusammenbau am Scheitel zu ermöglichen, um ihren Auflagerpunkt entweder auf- oder abwärts geschwenkt werden. Je genauer die Montage von unten her gemacht wurde , um so einfacher war auch der Zusammenbau am Scheitel. Und das war die eigentliche Spezialität des Brückenbauers. Hut ab vor solch großartigen Leistungen!

Picture of the Kesselfabreck

Kesselfabrek um 1890

Im Gemeinderat Remerschen waren damals Bürgermeister Chr.Koch, die Schöffen J. Wallerich, Jacob Schumacher sowie die Räte L. Schons, J.-P. Useldinger, J.-P.' Wiltzius, J. Bellwald und J.-P. Oudill, Sekretär war Kons (Unterschriften auf Originalzeichnung). Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden die Grenzwasserläufe Our, Sauer und Mosel von 21 Brücken uberquert (Our 8, Sauer 9 und Mosel 4) Sie waren von luxemburgischen oder preußischen Gemeinden errichtet worden oder waren Gemeinschaftswerke beider Staaten Die älteste war die Brücke von Rodershausen - Dasburg aus dem Jahr 1846 . Sie erreichte das "Ausnahmealter" von fast 100 Jahren Im September 1944 haben deutsche Pioniere alle (?) Grenzbrücken zerstört
über die Mosel führten vier Brücken Grevenmacher-Wellen, erbaut 1881, zerstört 1944, neu erbaut 1959; Wormeldingen-Winch, erbaut 1890, zerstört 1944, neu erbaut 1963; Remich-Nennig, erbaut 1866, zerstört 1944, neu erbaut 1959, Schengen-Perl, erbaut 1908, zerstört 1939, neu erbaut 1959
Eine (traurige) .Ausnahme machte hier die eiserne Brücke von Schengen Sie wurde bereits kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges am 15 September 1939 gesprengt Ursache war ohne Zweifel ihre "strategisch wichtige" Lage im Dreiländereck. Schengen hatte für 20 Jahre keine Brücke mehr .

Quellennachweis Archiv Paul Wurth S A - Kesselfabrek Infoblatt Amicale Paul Wurth .

Siehe Luxemburger Wort vom 28.6.1997

 

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